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Nachhaltigkeit ganz konkret in Rio

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Der Abschluss der Konferenz «Rio+20» liegt nun einige Tage hinter uns. Ich war als Delegierte bei den Verhandlungen in Rio dabei. Nach Abschluss der Konferenz besuchte ich die Gebrüder Grael. Mit ihrer Segel-Ausbildung geben sie Kindern eine Chance für eine gute Zukunft.

Am Nachhaltigkeitsgipfel «Rio+20» durfte ich als Delegierte teilnehmen und konnte meine Erfahrung in die Verhandlungen über «Green Economy» einbringen. Als es im Text der Deklaration um die Berücksichtigung ökologischer und sozialer Effekte in die Entscheidungsfindung ging, konnte ich selber gegen die Bedenken der G77 argumentieren. Der Passus blieb drin, wenn auch mehrfach relativiert, um den unterschiedlichen Bedürfnissen am Tisch Rechnung zu tragen.

Hier zur Illustration der entsprechende Abschnitt aus Artikel 63 der Deklaration: «We recognise the importance of the evaluation of the range of social, environmental and economic factors and encourage, where national circumstances and conditions allow, their integration into decision making».

Ich gebe zu, so ganz wurden meine Erwartungen an die Konferenz nicht erfüllt (Was sich die Grüne Wirtschaft von Rio+20 wünscht). Aber die Tatsache, dass sich 192 Länder darauf einigen konnten, «Green Economy» als wichtiges Instrument für die nachhaltige Entwicklung zu definieren, ist doch ein bedeutendes Ergebnis. Darauf lässt sich bauen.

Aber eigentlich möchte ich Ihnen nicht noch eine weiteren Artikel über den Ausgang von Rio+20 liefern. Meine Einschätzungen können Sie gerne auf der Öbu-Website lesen. Lieber berichte ich Ihnen von einem ganz konkreten Projekt, welches ich nach Ende der Konferenz besuchen durfte – und zwar vom Projeto Grael.

Ein Meer von Chancen

Die drei Gebrüder Grael sind Segler. Zwei von ihnen haben mehrere olympische Medaillen und Landesmeisterschaften gewonnen, der dritte ist Unternehmer und grüner Politiker. Seit 1998 bringen sie Kindern aus Favelas alles rund ums Segeln bei. Die Ausbildung dauert zwischen einem und zweieinhalb Jahren, ergänzend zur normalen Schule, die in Brasilien nur halbtags besucht wird. Alles, was mit Schiffen zu tun hat, wird gelehrt: Arbeiten mit Holz und Fiberglas, Mechanik und Elektrik, Malen und Nähen, Umweltbeobachtung, Geografie, Chemie und Physik, aber zum Beispiel auch Schwimmen und Arbeiten am Computer. 12‘000 Kinder haben bereits die Schulung durchlaufen – etwa 30 Prozent der Kinder konnten später in den Arbeitsmarkt integriert werden. Nicht das Hauptziel, aber auch ein schöner Erfolg des Projekts ist, dass vier ehemalige Schüler 2010 die Regatta Capetown-Rio gewonnen haben.

Neben der Ausbildung der Favela-Kinder ist Umweltschutz ein weiterer Schwerpunkt des «Projeto Grael». Die Kinder erfahren in verschiedenen Projekten, dass sie einen positiven Beitrag zur Erhaltung einer lebenswerten Umgebung leisten können. Zudem lernen sie dabei mit wissenschaftlichen Methoden zu arbeiten.

Verantwortung für die Umwelt

So haben die Kinder mitgeholfen, mit einem Müllsammel-Schiff während zweieinhalb Jahren verschiedene Bereiche der Guanabara-Bucht zu reinigen. Dabei wurden in einer Pilotstudie Daten über die Dynamik von schwimmendem Abfall gesammelt. Jetzt wird das Schiff vor allem für die Präventionsarbeit mit Schulen genutzt oder für weitere Forschungen über schwimmende Abfälle. Zudem kommt das Schiff bei Schiffsunfällen zum Einsatz oder bei Notfällen nach schweren Regenfällen, wenn viel Material ins Meer geschwemmt wurde (Projekt Aguas Limpas).

Ein weiteres Projekt beschäftigt sich mit dem Monitoring von Strömungen und der Wasserqualität. Diese Untersuchungen sind von grossem Interesse, weil sie aufzeigen, wo geputzt werden muss nach Ölunfällen (Projekt Baia de Guanabara).

Das Projeto Grael führt derzeit Schulen an zwei weiteren Standorten in Brasilien. Es könnten und sollten mehr werden. Auch das ist Rio und das macht Hoffnung.

Die UNO-Konferenz hat Ergebnisse gebracht, die weniger konkret als das Grael-Projekt sind, dafür aber das Potenzial haben, globale Wirkung zu entfalten. Auch «Rio 92» wurde direkt nach Abschluss kritisch kommentiert und hat schliesslich doch auf vielen Ebenen Nachhaltigkeitsprojekte ausgelöst. Es liegt an der Zivilgesellschaft, auf der zügigen konkreten Umsetzung zu beharren. Um es mit den Worten der Graels zu sagen: «Es gibt ein Meer von Chancen».

João, einer der jüngeren Schüler mit seiner ersten Holzarbeit (GRA BRA meint übrigens: Grande Brasil)

Die kleine Bucht von Charitas ist Teil der grossen Bucht Guanabara, an der Rio liegt. Im Hintergrund eines der ungezählten Favelas, im Meer eine Muschelzucht.

Zur Autorin

Gastautorin Gabi Hildesheimer ist Geschäftsführerin von Öbu, dem Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften. Sie war an der UNO-Nachhaltigkeitskonferenz «Rio+20» Mitglied der Schweizer Delegation.

«Rio+20» auf dem ETH-Klimablog

Vom 20. bis 22. Juni 2012 findet in Rio de Janeiro die UNO-Nachhaltigkeitskonferenz «Rio+20» statt. Im Zentrum der Konferenz wird die Frage stehen, welchen Beitrag die Grüne Wirtschaft zur nachhaltigen Entwicklung und Armutsbekämpfung leisten kann. Der ETH-Klimablog begleitet die Konferenz mit einigen Blogbeiträgen. Sie finden diese unter dem Stichwort «Rio+20».


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